Moralische Autorität und Die großen Drei

Lectio Divina Gebet (optional)

  1. Lies Matthäus 5,13-16.
  2. Meditiere über die Worte.
  3. Rede mit Christus über diesen Abschnitt.
  4. Komm in Gottes Gegenwart zur Ruhe und höre seine Stimme.
  5. Diskutiert gemeinsam darüber.

TEIL 1: MORALISCHE AUTORITÄT UND CHRISTLICHE LEITERSCHAFT

Hinweis: Dieser Artikel ist in zwei Teile gegliedert: Moralische Autorität und christliche Leiterschaft und Moralische Autorität in Aktion: Ein Leben mit den Großen Drei. Er soll auf zwei (oder mehr) Gespräche aufgeteilt werden.

Es gab scheinbar keinen Grund, dass die Welt von Agnes Gonxha Bojaxhiu hören sollte.

Sie wurde um die Jahrhundertwende in einem bürgerlichen Haus im Osmanischen Reich geboren. Später zog sie in einen der ärmsten Teile der Welt und arbeitete dort jahrzehntelang ohne irgendwie bekannt zu sein. Sie kümmerte sich um die Mittellosen und erledigte unermüdlich niedere Tätigkeiten, die sich sonst niemand antun wollte.

Doch langsam wurde immer mehr über ihre Arbeit berichtet. Frauen aus anderen Ländern begannen sich ihr anzuschließen, und Reporter begannen, ihr Leben zu beobachten und über ihr erstaunliches Zeugnis zu schreiben. Ihre Arbeit weitete sich auf andere Länder aus und Menschen aus aller Welt wollten mehr über sie wissen. Mit der Zeit wurde sie zu einer der einflussreichsten Frauen des 20. Jahrhunderts.

Im Jahr 1979 erhielt sie den Friedensnobelpreis. Bei der Entgegennahme des Preises sprach sie vor der Menge über die Anforderungen der wahren Liebe. Darüber, dass Gott die wahre Quelle des Friedens ist, und dass Abtreibung heute der größte Zerstörer des Friedens ist. Alle jubelten, auch wenn viele Menschen in der Menge waren, die diese christlichen Ideale nicht vertraten.

1982 hielt sie ihre Antrittsrede in Harvard. Sie erhielt lauten Applaus für eine Rede, in der sie die jungen Menschen einlud, die Keuschheit anzunehmen und die Würde allen Lebens zu schätzen. Wie kam es, dass eine Botschaft, die dem Mainstream-Denken so sehr widersprach, an einer säkularen Universität wie Harvard so gut aufgenommen wurde?

1985 wurde sie bei der Jubliäums-Feier zum 40-jährigen Bestehen der Vereinten Nationen geehrt und hielt eine Rede vor den mächtigsten Menschen der Welt. In dieser sagte sie den Zuhörern, dass sie Kinder Gottes seien und dass sie beten müssten, weil sie nicht geben könnten, was sie nicht hätten. Es folgte weiterer Beifall – die Vereinten Nationen lobten eine religiöse Botschaft!

Taten sprechen mehr als Worte; Lass deine Worte lehren und deine Taten sprechen.

Hl. Antonius

General Perez de Cuellar, der Sekretär der Vereinten Nationen sagte folgendes, als er sie vorstellte:

Diese Woche hatten wir das Privileg, die mächtigsten Männer der Welt hier zu haben. Heute haben wir die besondere Ehre, die mächtigste Frau der Welt zu begrüßen. Ich denke nicht, dass ich sie vorstellen muss. Sie braucht keine Worte. Sie braucht Taten.

… Sie ist die Vereinten Nationen. Sie ist der Friede in der Welt.(1)

Wer ist diese Frau, die von den Vereinten Nationen als „mächtigste Frau der Welt“ bezeichnet wurde? Und was machte sie so mächtig? Agnes Gonxha Bojaxhiu ist heute bekannt als die heilige Mutter Teresa von Kalkutta. Sie wurde zu einer der einflussreichsten Führungspersönlichkeiten der Welt – nicht wegen ihres Reichtums, ihres Ruhmes oder irgendeines Titels oder einer Position, die sie innehatte, sondern wegen der bemerkenswerten Art, wie sie ihr Leben lebte.

Diskussion 1: Was war an Mutter Teresa so besonders, dass Menschen ihr folgen wollten und auf das hören wollten, was sie zu sagen hatte? Wodurch unterschieden sich ihr Führungsstil und ihr Einfluss von dem, was man heute üblicherweise unter Leiterschaft versteht?

WAS IST MORALISCHE AUTORITÄT?

Manche Menschen beeinflussen die Welt durch ihre Reichtümer, ihren Ruhm oder ihre Machtpositionen. Mutter Teresa jedoch zeigte eine ganz andere Art von Autorität, eine, die viel einflussreicher ist. Sie verkörperte eine Art von Autorität, die von Christus selbst vorgelebt wurde. Es ist die Art von Autorität, die jeder gewöhnliche Mensch anstreben kann. Sie hatte das, was man „moralische Autorität“ nennen kann.

Moralische Autorität ist die Fähigkeit, andere nicht durch unseren Titel oder unsere Position zu leiten, sondern durch die Art, wie wir leben. Viel wichtiger als unsere Persönlichkeit, Talente, Titel oder Techniken ist der moralische Charakter einer Person. Jesus war kein effektiver Leiter, weil er große Titel oder Ämter in der jüdischen Welt des ersten Jahrhunderts innehatte. Er hat nicht versucht, sich einen Namen zu machen oder sich eine Plattform zu schaffen. Es waren seine Demut, sein Mut, seine Liebe und seine ganze Lebensweise, die Tausende inspirierte, ihm zu folgen, und die bis heute auf der ganzen Welt einen tiefen und bleibenden Eindruck bei mehr als einer Milliarde Menschen hinterlassen hat.

Das Beispiel Jesu fordert uns heraus, uns zu fragen, welche Art von Leiter wir sein wollen. Streben wir danach, ein herausragendes Leben wie Christus zu führen, heroische Tugenden zu entwickeln, Gott und den Menschen in unserem Leben das Beste zu geben, so wie Christus es getan hat? Die heilige Mutter Teresa brachte viele Opfer und gab alles, um den Ärmsten der Armen in der ganzen Welt zu dienen. Ihre Taten sprachen lauter als ihre Worte. Ihr erstaunliches Zeugnis der aufopfernden Liebe inspirierte viele Menschen dazu, mehr wie sie zu leben und ihrer Botschaft zuzuhören. Das bewirkt der Einfluss eines Menschen, der moralische Autorität besitzt.

Diskussion 2: Wann hast du moralische Autorität (oder einen Mangel daran) in deinem Leben erlebt? Was sind die Vorteile einer Leiterschaft mit moralischer Autorität?

Bequem sind die Wege des Herrn nicht, aber wir sind ja auch nicht für die Bequemlichkeit, sondern für das Große, für das Gute geschaffen.

Papst Benedikt XVI

CHRISTLICHE LEITERSCHAFT

All dies gilt insbesondere für jeden, der als Christ eine Führungsrolle bzw. Leiterschaft übernimmt. Weil christliche Führungskräfte Christus repräsentieren, müssen sie danach streben, ein Leben zu führen das das Leben Jesu widerspiegelt. Je mehr unser Leben Christus entspricht, von Christus geleitet und von Christus beseelt ist, desto mehr wird unsere Leiterschaft Früchte tragen. Wie der heilige Paulus sagt, „nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20).

Unsere Leiterschaft wird jedoch nicht wirksam sein, wenn wir nicht fest in der Lebensweise Christi verwurzelt sind. Es ist unwahrscheinlich, dass wir andere zum täglichen Gebet inspirieren können, wenn wir selbst kein tägliches Gebetsleben haben. Wir werden Menschen nicht wirksam zur Nachfolge Jesu einladen können, wenn wir selbst seine moralischen Lehren in einem bestimmten Bereich nicht befolgen. Wir können nicht geben, was wir nicht haben. Noch gefährlicher ist es, im Widerspruch zu den Lehren Christi zu leben, denn das untergräbt unsere Autorität. Wir müssen über uns hinauswachsen und über jeden Vorwurf erhaben sein, so dass es keinen Zweifel daran gibt, dass wir danach streben, ein moralisch integres Leben zu führen. Weil christliche Leiter Christus repräsentieren, werden sie in ihrem Leben an einem höheren Standard gemessen. Nach Jakobus 3,1 werden „Lehrer […] im Gericht strenger beurteilt werden.“

Moralische Autorität bedeutet nicht, einfach nur darauf zu achten, dass wir „praktizieren, was wir predigen“. Erst recht ist moralische Autorität kein Trick, um sich in den Augen der Welt Respekt zu verdienen. Es geht dabei um eine tiefe spirituelle Wahrheit: Je mehr wir tief in Christus leben, je mehr wir moralisch, geistlich und sakramental nach seinem Plan leben, umso mehr kann Jesus auf erstaunliche Weise in unseren Familien, Freundschaften, am Arbeitsplatz und in der Mission durch uns wirken. Aber wenn wir nicht tief in Christus verwurzelt sind und nicht ganz nach seinem Plan leben, wird unsere Führung darunter leiden. Christus kann dann nicht so kraftvoll durch uns als Leiter wirken. Wir sind dann mehr ein Hindernis für den Heiligen Geist als sein Werkzeug.

Egal ob wir nun an der Uni, am Arbeitsplatz, in unseren Gemeinden oder zuhause eine Führungsrolle einnehmen, wollen wir danach streben, Anführer mit moralischer Autorität zu sein. Wie Thomas Dubay einmal schrieb: „Durch eine zehnminütige Begegnung mit einer heiligmäßigen Person fühlen wir uns mehr zu Gott hingezogen als durch 10 Jahre mit einer mittelmäßigen Person.“(2) Andere sind davon abhängig, dass wir unser Leben richtig leben. Geben wir uns nicht damit zufrieden, mittelmäßige Personen zu sein. Strengen wir uns an, Heilige zu sein.

Diskussion 3: Lebst du als ein treuer Vertreter Jesu? Ist dein Leben ein Zeugnis für das Evangelium? Wo musst du vielleicht wachsen, um ein überzeugenderes Zeugnis für Christus zu sein? Welche Veränderung kannst du schon diese Woche vornehmen?

TEIL ZWEI: MORALISCHE AUTORITÄT IN AKTION. EIN LEBEN MIT DEN „GROSSEN DREI“

Hinweis: Dieser Artikel ist in zwei Teile gegliedert: Moralische Autorität und christliche Leiterschaft und Moralische Autorität in Aktion: Ein Leben mit den „Großen Drei“. Er ist dazu gedacht, in zwei (oder mehrere) Gespräche aufgeteilt zu werden.

„DIE GROSSEN DREI“

Es gibt Schlüsselbereiche, die besonders wichtig für ein Leben mit moralischer Autorität sind: Keuschheit, Nüchternheit und Exzellenz. Es lohnt sich, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, weil es heutzutage besonders herausfordernd ist, diese drei Tugenden zu kultivieren und weil wir in besonderem Maße zu Sklaven werden, wenn wir in diesen Bereichen versagen. Die Welt redet uns ein, dass wir in Sex, Trunkenheit, Drogenmissbrauch, Ablenkungen und Vergnügungen Erfüllung finden. Aber tatsächlich halten uns diese Dinge davon ab, unser Bestes zu geben. Der Herr möchte uns in diesen Bereichen in die Freiheit führen, sodass wir nicht in Abhängigkeit und in unseren Schuldgefühlen gefangen bleiben. Er wünscht sich nicht nur unsere eigene Freiheit, sondern auch, dass wir Vorbilder dieser Freiheit für andere sein können. Wenn wir uns in diesen drei Bereichen nicht bewusst entscheiden wie Jesus zu leben – ein Leben ohne Tadel – dann wird das unsere Fähigkeit, andere zu lieben und Christus mit der Welt zu teilen, deutlich beschränken.

Nimm dir bei jeder Tugend, die wir jetzt besprechen, Zeit, um innezuhalten und sie einzeln nacheinander zu besprechen. Man muss auch nicht alle drei Bereiche auf einmal besprechen. Die Informationen und Fragen sollen dir helfen die Bereiche zu erkennen, in denen du vielleicht wachsen musst. Sie sollen eine Unterstützung sein, um zu erkennen, wo der Herr dich zu tieferer Heilung und Freiheit einlädt, so dass du selbst ein authentischeres Zeugnis seines Lebens und seiner Liebe sein kannst.

KEUSCHHEIT

Die Definition von lieben ist „jemandem Gutes wollen“ (KKK 1766), das heißt das Beste für die andere Person zu wollen. In den Lehren Jesu zur Keuschheit geht es darum, uns zu befähigen, diese Art von authentischer und dauerhafter Liebe zu erfahren und weiterzugeben. Es handelt sich bei Jesu Art zu lieben letztlich um die Art von Liebe, nach der wir uns alle sehnen. Unsere Kultur, die sehr emotional ist und einen übermäßig romantischen Hang hat, neigt jedoch dazu, Liebe mit Lust zu verwechseln. Lust bezieht sich darauf, was ich von der anderen Person bekommen kann und wie ich sie für die Befriedigung meiner eigenen Bedürfnisse benutzen kann.

Jeden Tag müssen wir uns neu entscheiden, ob wir andere lieben oder benutzen. Das kann sich in unseren Gedanken, unseren Blicken oder unseren körperlichen Handlungen ausdrücken. Jesus sagt in Matthäus 5,27-28: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“

In diesen Versen verdeutlicht Jesus, dass Keuschheit viel mehr bedeutet, als keinen Sex außerhalb der Ehe zu haben. Keuschheit beschreibt die Fähigkeit, andere so zu lieben, wie Gott uns berufen hat zu lieben: Nicht als Sklave der Selbstsucht oder Begierde, sondern mit einem reinen Herzen und Verstand. Wir tun dies auf drei wichtige Arten.

Zuerst müssen wir Reinheit in unseren Gedanken leben. In einer Welt, die mit unanständigen Bildern, Pornografie, Sexting, Dating-Apps und sexuell expliziten Inhalten gefüllt ist, braucht es echte Anstrengung, um die Reinheit des Geistes und des Herzens zu bewahren. Jesus sagt in Lukas 6,45: „Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor und der böse Mensch bringt aus dem bösen das Böse hervor.“

Zweitens müssen wir die Keuschheit auch in unseren Handlungen leben. Sex ist nicht nur ein körperlicher Akt des Vergnügens. Der Sinn der körperlichen Vereinigung ist der Ausdruck einer tiefen und persönlichen Verbindung zwischen Mann und Frau. Indem sie in dieser intimsten Vereinigung einander ihre Körper hingeben, geben sie sich selbst einander hin. Der Geschlechtsverkehr selbst und die sexuellen Handlungen, die zur Vereinigung führen, sind von Gott für die Ehe bestimmt. Deshalb ist vorehelicher Sex und jede körperliche Handlung, die bei dir oder jemand anderem Erregung hervorruft (z.B. Berühren von Sexualorganen, gegenseitige Befriedigung, Oralverkehr, etc.) außerhalb der Ehe unmoralisch, weil sie nicht auf einen Akt der völligen Selbsthingabe ausgerichtet sind. Das Paar erfährt Vergnügen, das zur sexuellen Vereinigung gehört, ohne die völlige Hingabe an die andere Person.

Selbst in der Ehe sind sexuelle Handlungen nicht keusch und kein Ausdruck der völligen Selbsthingabe, wenn sie nicht offen für das Leben sind. Verhütung hindert Paare beispielsweise daran, sich einander vollständig hinzugeben, weil sie einen wesentlichen Teil ihrer selbst – ihre Fruchtbarkeit – zurückhalten und das Vergnügen des sexuellen Aktes suchen, ohne den anderen in seiner ganzen Person, einschließlich der Fruchtbarkeit, anzunehmen.

Drittens müssen wir, um auch im Bereich der Keuschheit mit moralischer Autorität voranzugehen, darauf achten, keinen Anstoß zu erregen. Für unverheiratete Paare ist es nicht nur eine Versuchung – eine nächste Gelegenheit zur Sünde –, im selben Bett zu schlafen, bei Freund oder Freundin zu übernachten oder bis spät in die Nacht Zeit zu zweit zu verbringen, sondern es kann auch anderen einen falschen Eindruck vermitteln. Für verheiratete Paare kann zu viel Zeit allein mit jemandem, der nicht ihr Ehepartner ist, ähnliche Probleme verursachen. Ein christlicher Leiter vermeidet es nicht nur, Böses zu tun, sondern ist an einen höheren Standard gebunden (Jak 3,1). Wir müssen ein tadelloses Leben führen und alles vermeiden, was den Eindruck eines unmoralischen Verhaltens erwecken könnte.

Zuletzt geht es beim Streben nach Keuschheit in unseren Gedanken und Taten nicht nur um die Vermeidung einer langen Liste von sündigen Handlungen. Vielmehr geht es darum, uns Christus anzugleichen und zu lernen, durch völlige Selbsthingabe zu lieben, so wie Christus liebt. Der Katechismus sagt: „Wenn der Mensch seine Leidenschaften beherrscht, findet er Frieden“ (vgl. KKK 2339). Die Welt möchte uns weismachen, dass der Genuss von sexuellem Vergnügen zu jedem möglichen Zeitpunkt zu einem glücklichen Leben gehört. Aber ein Leben in Keuschheit lässt uns unsere Sexualität in einer Weise nutzen, die uns echte Liebe, vollkommene Freude, wahrhaftige Freiheit und wahren Frieden bringt. Also das, wonach der wir uns sehnen.

Keuschheit ist ein überwältigender Liebesbeweis.

Hl. Josefmaria Escriva

Diskussion 4: Es kann hilfreich sein, einen ehrlichen Blick darauf zu werfen, wo wir in Bezug auf Keuschheit stehen und die Herausforderungen, vor denen wir stehen, ans Licht zu bringen. Werden hier bestimmte Bereiche der Sexualität erwähnt, die für dich eine Herausforderung darstellen? Wo lädt dich der Herr vielleicht dazu ein, alte Gewohnheiten zu durchbrechen, in der Tugend zu wachsen oder Heilung zu suchen?

NÜCHTERNHEIT

Nüchternheit ist die Ausübung der Tugend der Mäßigung (Selbstbeherr- schung) in Bezug auf Alkohol, Drogen und andere Substanzen. Wenn man volljährig ist, ist es nicht verkehrt, Alkohol in Maßen zu trinken. Das erste Wunder Jesu bestand schließlich darin, dass er auf einer Hochzeit Was- ser in Wein verwandelte. Dennoch mahnt uns Petrus zur Wachsamkeit:

„Seid nüchtern, seid wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann“ (1 Petr 5,8).

Manche fragen sich vielleicht, warum Trunkenheit oder der Verlust der Nüchternheit durch Drogen ein solches Problem ist. Das Problem besteht darin, dass Trunkenheit oder Drogenkonsum unsere Fähigkeit, gute und bewusste Entscheidungen zu treffen, beeinträchtigt. Wenn wir zum Beispiel übermäßig viel trinken, beeinträchtigen wir bewusst unseren Intellekt und verlieren die Kontrolle über das, was zutiefst mit uns selbst verbunden ist – unseren freien Willen. Damit geben wir dem Teufel die Gelegenheit, Verwüstung anzurichten, indem er uns dazu bringt, weitere schlechte Entscheidungen zu treffen, die uns selbst und anderen schaden können. Deshalb zählt der heilige Paulus die Trunksucht als eine der Sünden auf, die einen Menschen vom Reich Gottes fernhalten (Gal 5,21). Der heilige Thomas von Aquin erklärt, dass Trunkenheit eine schwere Sünde ist, weil sie unsere Beziehung zu Gott abbricht.

Wie bei der Keuschheit müssen wir auch bei der Nüchternheit mit moralischer Autorität vorangehen. Wir sollten Trunkenheit nicht nur meiden, sondern auch darauf achten, dass wir keinen Skandal verursachen, indem wir zu eng mit Trunkenheit in Verbindung gebracht werden. Jesus hat jeden geliebt und ging auf Menschen jeglicher Herkunft, ja sogar auf Sünder zu. Er war dafür bekannt, dass er mit Trinkern und Prostituierten zu Abend aß. Aber wir lesen nie davon, dass Jesus sich mit Prostituierten in einem Bordell aufhielt, während sie die Männer verführten, oder sich bei Trunkenbolden während ihrerem gemeinsamen Saufgelage aufhielt. Unsere Anwesenheit in bestimmten Umgebungen kann den Eindruck erwecken, dass wir mit den sündigen Handlungen einverstanden sind oder dass wir selbst daran teilnehmen. Als Papst Johannes Paul II. einmal das richtige Gleichgewicht in seinem eigenen Dienst erklärte, sagte er, Gott habe ihn berufen, „mit den Menschen zu leben, überall mit ihnen zu sein, in allem, außer in der Sünde.“(3) Das sollte auch unser Ziel sein.

Es gibt ein paar Fragen, die du dir stellen kannst, um deine Beziehung zu Drogen oder Alkohol zu beurteilen: Halte ich mich an die gesetzlichen Regelungen bezüglich Alkoholkonsum oder verstoße ich gegen das Gebot des Paulus, das Gesetz zu achten (Röm 13,1-7)? Bin ich in sozialen Settings mehr auf den Alkohol als auf die Menschen um mich herum fokussiert? Verursachen Alkohol oder Drogen andere Probleme in meinem Leben oder in meinen Beziehungen? Brauche ich zusätzliche Hilfe bei der Überwindung einer Sucht? Verleitet mein Verhalten in Bezug auf Alkohol oder Drogen andere zur Sünde? Wenn du eine dieser Fragen mit Ja beantwortet hast, dann ist es vielleicht an der Zeit, deine Beziehung zu Alkohol oder Drogen zu überdenken und zu überlegen, ob der Herr dich in diesem Bereich nicht zu größerer Freiheit einlädt.

Schließlich erlaubt dir die Nüchternheit, in den wichtigsten Bereichen deines Lebens wirklich frei zu sein. Der richtige Umgang mit Alkohol und die Vermeidung von Drogenkonsum ermöglicht es dir, die Kontrolle über deine Entscheidungen zu behalten und gleichzeitig in Situationen, in denen es üblich ist, Alkohol zu trinken, Alkohol angemessen zu genießen. Nüchternheit soll deine Freiheit nicht einschränken, sondern dir helfen, wahre Freiheit genießen zu können und nicht von einer Substanz abhängig zu sein, sodass du die Zeit mit anderen genießen kannst.

Wenn wir uns beherrschen können und nicht von Substanzen abhängig sind, können wir tiefer in die Beziehungen eintauchen, die uns am meisten bedeuten: unsere Beziehung zu Gott, unseren Familien, unseren Freunden und unserer Gemeinschaft.

Diskussion 5: Nimm dir einen Moment Zeit und denke darüber nach, welche Rolle Alkohol und Drogen in deinem Leben einnehmen. Fällt es dir schwer, nüchtern zu bleiben? Wie beeinflussen diese Dinge dein Leben? Bist du schnell betrunken, trinkst du obwohl es noch nicht legal ist, oder schenkst du Alkohol zu viel Aufmerksamkeit? Inwiefern praktizierst du die Tugend der Nüchternheit, und wo musst du noch wachsen?

EXZELLENZ

Exzellenz ist die Fähigkeit, in unserer Berufung und unseren täglichen Aufgaben das Beste zu geben. Wer sich bemüht in seinem Leben nach Exzellenz zu streben, der gibt sich nicht mit Mittelmäßigkeit zufrieden, vor allem nicht bei den Dingen, die im Leben am wichtigsten sind. Für Ehepaare bedeutet dies, dass sie danach streben, der beste Ehepartner oder das beste Elternteil zu sein, das sie sein können. Für Studenten bedeutet dies, dass sie in ihrem Studium ihr Bestes geben. Am Arbeitsplatz sollten wir bei allen Aufgaben oder Projekten, die uns anvertraut werden, immer versuchen, unser Bestes zu geben. Wir sollten all diese Dinge in dem Bewusstsein tun, dass wir letztlich Jesus in diesen Aufgaben dienen. Wie der heilige Paulus schrieb: „Tut eure Arbeit gern, als wäre sie für den Herrn und nicht für Menschen; ihr wisst, dass ihr vom Herrn das Erbe als Lohn empfangen werdet. Dient Christus, dem Herrn!“ (Kol 3,23-24).

Das Streben nach Exzellenz fordert uns auch auf, darüber nachzudenken, wie wir unsere Zeit nutzen. Dazu gehört auch unsere Freizeit: Verbringen wir viel Zeit mit Videospielen, vor dem Fernseher, in Sozialen Medien, auf Netflix, mit unserem Handy oder vergeuden wir Zeit auf YouTube? Es ist nichts gegen eine moderate Nutzung dieser Medien einzuwenden, aber wir sollten bedenken, dass diese passiven Formen der Unterhaltung unseren Willen und Charakter schwächen, wenn wir sie zu häufig nutzen. Die Zeit, die wir mit diesen Aktivitäten verbringen, wirkt sich stark auf unsere Fähigkeit aus, anderen das Beste von uns zu geben und Großes in unserem Leben zu leisten. Wenn wir in diesen Bereichen nicht bewusst Selbstbeherrschung üben, werden wir Gewohnheiten entwickeln, die es schwerer machen, unser Bestes zu geben. Sie werden es schwerer machen, unserem Ehepartner, Freunden, Kindern und Kollegen unsere Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Übst du deinen Willen darin, dich selbst zu verleugnen, Opfer zu bringen, Herausforderungen anzunehmen und schwierige Aufgaben zu Ende zu bringen? Oder gewöhnst du deinen Willen daran, lieber passiv unterhalten zu werden und deinen Geist ständig abzulenken? Füllst du deinen Geist mit dem Wahren, dem Guten und dem Schönen oder mit belanglosen Vergnügungen und Bildern, die dich herunterziehen? Setzt du dir bewusst Grenzen? Entscheidest du bewusst, wie viel Zeit du mit dem Handy, den Sozialen Medien oder vor dem Bildschirm verbringen willst? Wenn du in diesen Bereichen nicht bewusst etwas Selbstverleugnung einübst, werden diese Dinge langfristig so viel Raum einnehmen, dass nicht mehr du sie beherrschst, sondern sie dich. Als Christen sollten wir in jedem Bereich unseres Lebens nach Spitzenleistungen streben.

Wir müssen aber auch darauf achten, dass unser Streben nach Exzellenz nicht in Perfektionismus umschlägt, dem ein verzerrtes Verständnis von Exzellenz zugrunde liegt. Perfektionismus ist oft mit unrealistisch hohen Ansprüchen und einem übermäßigen Wunsch nach Höchstleistungen und Überengagement verbunden. Perfektionismus entspringt nicht dem Wunsch, Gott unser Bestes zu geben, sondern kommt eigentlich mehr aus Unsicherheit. Dahinter steht Angst zu versagen, Ablehnung zu erfahren, das Bedürfnis, es anderen recht zu machen, oder die Annahme, dass wir uns Gottes Liebe verdienen müssen – obwohl wir wissen, dass das nicht stimmt.

Wenn wir in allen Bereichen, in die Gott uns gerufen hat ihm zu dienen, vorbildlich leben – in unseren Familien, unserer Arbeit, unserem Studium, unserer Freizeit, unserem Engagement für die Kirche und unserer Gemeinschaft – arbeiten wir mit ihm zusammen am Aufbau des Reichs Gottes. Dies sind keine abgetrennten Lebensbereiche, die mit unserer Beziehung zu Gott nichts zu tun haben. Vielmehr sind es die Bereiche, die er nutzen will, um uns zu formen, zu gestalten und uns näher zu sich zu ziehen.

Diskussion 6: Gibt es Bereiche in deinem Leben, in denen du Mühe hast, Exzellenz zu leben und das Beste zu geben? (z.B. geistliches Leben, Beziehungen, Familie/Berufung, Arbeit/Studium, Gesundheit)? Kämpfst du mit Perfektionismus? Wenn ja, warum? Wie würde es aussehen, wenn du in dem Bereich, in dem du am meisten kämpfst, das Beste geben würdest?

KONKRETE SCHRITTE

Oftmals werden Sünden gegen die „Großen Drei“ zu Gewohnheiten, und manchmal sind sie schon zu alten Gewohnheiten geworden, die uns schon sehr lange begleiten. Aber Jesus kann jede Gewohnheit, Wunde oder Sucht besiegen. Du wirst diese Sünden vielleicht nicht über Nacht überwinden, aber mit Christus sind Wachstum und Heilung möglich!

Identifiziere alle Bereiche der „Großen Drei“, die dich von dem Leben und der Führungsweise, zu der Christus dich berufen hat, zurückhalten. Mache dir einen Plan, wie du beginnen kannst, gute Gewohnheiten einzuüben. Nutze dabei die folgenden praktischen Schritte:

Gebet und Sakramente: Wir können unsere Sünden nicht aus uns selbst überwinden. Wir brauchen die Hilfe Gottes und seine Gnade, um in Tugend und Heiligkeit gestärkt zu werden.

Verantwortung: Mach dir einen Plan, wie du mit Versuchungen umgehst und gesunde Verhaltensweisen einüben kannst, um in der Tugend zu wachsen und die Sünden in den Bereichen der „Großen Drei“ zu bezwingen. Erfahrungsgemäß gelingt es am besten, wenn man den Weg nicht alleine beschreitet, sondern ihn gemeinsam mit einem persönlichen Weggefährten (Accountability Partner) geht, der dein Ankerpunkt ist. Auf einer Ebene der Ehrlichkeit und Verletzlichkeit, die weit über normale „Freundschaften“ hinausgeht, kann diese Person dich unterstützen, dich anspornen und ihr könnt euch über deinen Fortschritt und deine persönlichen Herausforderungen und Hürden austauschen.

Zusätzliche Hilfe: Manchmal erfordert unser Kampf um Keuschheit, Nüchternheit oder Exzellenz mehr Aufmerksamkeit, als uns ein Accountability Partner bieten kann. Es ist dann keine Schande, sich zusätzliche Hilfe zu suchen und beispielsweise einer Selbsthilfegruppe beizutreten oder einen Fachmann aufzusuchen.

SCHLÜSSELBEGRIFFE

Moralische Autorität: Die Fähigkeit, andere durch die Art, wie wir leben zu beeinflussen, nicht durch die Position oder den Titel, den wir innehaben.

Die „Großen Drei“: Um in der heutigen Kultur moralische Autorität zu haben, müssen wir vor allem Keuschheit, Nüchternheit und Exzellenz vorleben.

ZUSÄTZLICHE RESOURCEN

True Leadership vom Harbinger Institute for Catholic Leadership, Ch. 6:

„The Second Foundation — Character: Who am I?”

Auf focusequip.org: Path to Freedom (For Men) bzw. Uncompromising Purity (For Women)

Vom FOCUS Blog auf focusequip.org: Die Serie „Cultural Apologetics” – im Besonderen:

  • „Sex and Sanctity: A Discussion of Sex Before Marriage” von Jason Evert
  • „Porn and Relationships: A Discussion of the Problem of Porn” von Matt Fradd
  • „The Pill: No Small Matter: A Discussion about Contraception” von Dr. Janet Smith
  • „A Catholic Approach to Alcohol: A Discussion of the Virtuous Use of Alcohol” von Dr. Jared Staudt

Men, Women, and the Mystery of Love von Dr. Edward Sri KKK 2337–2359: „Berufung zur Keuschheit”

KKK 1803–1832: „Die Tugenden”


Notizen

(1) Servants of the Pierced Hearts of Jesus and Mary, “Blessed Mother Teresa’s Address to the United Nations on the Occasion of its 40th Anniversary,” Piercedhearts.org, abgerufen am 4.März 2020, https://www.piercedhearts.org/purity_heart_morality/mother_teresa_address_united_nations.html.

(2) Thomas Dubay, “…And You Are Christ’s” (San Francisco: Ignatius Press, 1987), 121.

(3) Thomas Dubay, “…And You Are Christ’s” (San Francisco: Ignatius Press, 1987), 121.